Was bleibt von Nora Imlaus Lesung in Dresden

Nora Imlaus Lesung aus ihrem Buch “So viel Freude, so viel Glück. Gefühlsstarke Kinder verstehen und begleiten” in Dresden liegt nun bereits einige Tage zurück. Im Nachgang hat sich folgende Essenz bei mir festgesetzt, die nicht nur für Eltern gefühlsstarker Kinder relevant ist:

Was für ein Mensch ist mein Kind?

Die zentrale Frage zu Beginn einer jeden Elternschaft sollte sein, was für ein Mensch ist mein Kind? Was macht mein Kind aus? Welches Temperament bringt es mit? Welche Stärken hat es? Denn Babys kommen nicht als weiße und unbeschriebene Blätter zur Welt. Nein, sie bringen ihr Paket mit. Oftmals kommen wir als Eltern bei der Frage nach dem Wesen unseres Kindes über kurz oder lang auch auf uns zurück. Was für ein Mensch sind wir eigentlich? Wie passt das zum Charakter meines Kindes? Welche Verhaltensweisen, die mein Kind zeigt, sind mir vertraut, welche sind mir fremd? Was lösen diese in mir selbst aus?

Unterschiedliche Temperamente - unterschiedliche Wahrnehmungen

Menschen haben unterschiedliche Temperamente, die angeboren und bereits bei Babys erkennbar sind. Diese Temperamente lassen sich auch durch Erziehung nicht verändern, denn sie lassen sich auf physiologische Unterschiede zurückführen. Für uns als Art ist es überlebenswichtig, verschieden zu sein. Erst in der Kombination entfalten diese Temperamente ihr komplettes Potential. Daher ist jedes einzelne dieser Temperamente richtig und wichtig für unser Zusammenleben, für unsere Gesellschaft. Dieser Fakt sollte uns als Erwachsene wieder darin bestärken, weder Babys noch deren Eltern miteinander zu vergleichen. Es gibt tatsächlich Babys, die eher genügsam und entspannt sind, es gibt Babys die fordernd und vielleicht sogar anstrengend sind und es gibt Babys, die sich dazwischen einordnen. Das hat allerdings nichts mit der Kompetenz der Eltern zu tun. Das sollte uns als Eltern demütig machen, wenn wir ein entspanntes Baby haben und andere Eltern sehen, die weitaus mehr gefordert werden. Als Eltern eines gefühlsstarken Babys sollten wir wiederum nicht davon ausgehen, dass andere Eltern ihr Babys zum still und ruhig sein “erzogen” hätten, weil sie nicht prompt und kompetent auf dessen Bedürfnisse reagiert hätten.

 

Aus den unterschiedlichen Temperamenten resultiert auch, dass mehrere Menschen die gleiche Situation erleben und eine komplett unterschiedliche Perspektive darauf haben können bzw. die Situation sie in eine komplette andere emotionale Verfassung versetzt. Daher gibt es immer verschiedene Sichtweisen auf ein und dieselbe Situation, und nicht die eine richtige. Die Perspektiven anderer Menschen sind folglich eine Ergänzung zu meiner eigenen.

Der Umgang mit Wut

Jedes Kind kann wütend werden, nicht nur gefühlsstarke. Spätestens in der Autonomiephase werden die meisten Eltern mit Wutausbrüche konfrontiert. Wie gehe ich mit einem wütenden Kind um? Welche Optionen habe ich in dieser Situation? Wie bleibe ich auch in dieser Extremsituation mit meinem Kind in Kontakt? Eine schreiende und schimpfende Mutter, die drohend über ihrem Kind steht, wirkt da nicht wirklich deeskalierend.

Pausen und Regeneration

Pausen für Eltern sind immer wieder ein wichtiges Thema, so auch bei Nora Imlau. Wie schaffen wir uns im Familienalltag Inseln der Regeneration? Was tut mit gut und läd meinen Akku wieder? Jeder Mensch regeneriert anders. Während der eine viel Action braucht, zieht sich der andere lieber zurück und genießt seine Ruhe. Alles darf sein. Wichtig ist auch hier, die Andersartigkeit unserer Mitmenschen zu sehen und zu respektieren und gemeinsame Wege zu finden.

 

Und dann noch eine Beobachtung während und nach der Lesung: Manchmal gehen wir zu einer Lesung, um unsere Kinder besser verstehen zu können und merken am Ende, dass wir uns selbst erkannt haben.

 

Katja Schill